Gartengeschichte der Superlative - Schlosspark Wilhelmshöhe, Kassel (Teil 3)
Ein Garten von Weltklasse besteht aus vielen einzelnen Meisterwerken. Auch im Bergpark Wilhelmshöhe ist das nicht anders. Ein besonders exotischer Geniestreich war der Bau des Dorfs Mulang – ein kleines China im Herzen Hessens. Der Bauherr Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (reg. 1760-1785) schlug damit 1782 gleich zwei Mode-Fliegen mit einer Klappe: Zum einen schmückten die Auftraggeber ihre Landschaftsgärten gern mit dekorativen Dörfern, die aber nicht nur dem gefälligen Panorama, sondern durchaus handfesten landwirtschaftlichen Zwecken dienten. Zum anderen frönte der Landgraf damit der Vorliebe seiner Zeit für sogenannte Chinoiserien. Dorf Mou-Lang, später Mulang, erfüllte gleich beide Funktionen.
Da die zeitgenössischen Architekten und Gartenplaner die echte chinesische Architektur gar nicht kannten, nahmen sie die asiatische Porzellanmalerei und eine großzügige Portion Fantasie zu Hilfe. Daraus wurden die Formen, die bald in Europa als typisch asiatisch galten, zum Beispiel Fassadenzierrat – wie etwa Glöckchen an den Dachrändern –, der in der original chinesischen Baukultur gar nicht existierte. Nicht lange, dann kam kein Garten in Europa mehr ohne ein chinesisches Bauwerk aus. Besonders beliebt und verbreitet waren Teepavillons mit Pagodendach. Mit der geografischen Korrektheit nahm man es nicht so genau, mit der Milchwirtschaft dagegen schon: Das Vieh im chinesischen Dorf versorgte die nahegelegene Schlossküche.
Die Idee zu dieser farbenfrohen Asien-Kulisse geht vermutlich auf den Hofgärtner Daniel August Schwarzkopf zurück. Er war in Chelsea ausgebildet worden und kannte die Mode des „anglo-chinoisen Stils“ bestens. Heute sind die asiatischen Formen nur noch an der Pagode erkennbar: an der Dachform, den Drachen über der Eingangstür und an den Bemalungen im Inneren. Leider sind die Chinesen, bunt bemalte Plastiken, stark beschädigt, wenngleich sie an der originalen Stelle stehen. Wer sehen will, wie das Dorf um 1785 aussah, kann im Hessischen Landesmuseum Darmstadt eine Fayenceplatte bestaunen, die das ganze Dorf zeigt.
Vorheriger Teil der Artikelserie:Gartengeschichte der Superlative - Schlosspark Wilhelmshöhe, Kassel (Teil 2)
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Veröffentlicht am 28.06.2019
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