Ein monumentaler Garten - Osteinscher Niederwald, Rüdesheim (Teil 2)
Spätestens seit Friedrich Schlegels (1772-1829) Niederschriften zu seiner Rheinfahrt schrieb man die Schönheit in der Natur vor allem dem Rauen und dem Wilden zu. „Erhabenheit“ war das Wort der Stunde, und geheimnisvolle Ruinen, Tempel, Köhlerhütten und Höhlen kamen in Mode. Eingebettet in Wäldchen, zwischen Hügel und mit viel Aufwand umgeformten Landschaften, sollten sie dem Betrachters als eine Art begehbare Theaterkulisse neue fantastische Welten eröffnen. Von den ersten Schmuckbauten aus Holz, die Karl Maxmilian Graf von Ostein im letzten Dritttel des 18. Jahrhunderts im Niederwald errichten ließ, ist heute keiner mehr erhalten.
Aber ihre steinernen Nachfolger an handverlesenen Aussichtspunkten bezeugen eindrucksvoll, welche Vorstellungen von inspirierender Natur die Zeitgenossen der Romantik hatten. Das gilt insbesondere für die sogenannte Rossel, eine gelungene falsche Ruine unter echten. Den Vorgängerbau, ein „Lustgewölbe“ hatte der Graf an dieser höchsten Stelle des Niederwaldes vorher abbrechen lassen. 1787 machte er Platz für das zweistöckige Treppenturm-Ensemble, das Besucher durch das offene Untergeschoss betreten. Auch wenn der Theologe Christian Wölfling, der 1792 zu Besuch war, den Bauherrn lobte, dass er „der Sucht zu anglisieren“ widerstanden habe, so ganz unbeeinflusst von der gärtnerischen Mode der Zeit blieb das Werk des Grafen Ostein nicht. Das zeigt etwa ein kleiner Rundtempel mit Kuppeldach, eine Referenz an die Antike, die ganz typisch ist für englische Landschaftsgärten. Die Begeisterung für alles Mittelalterliche – ebenfalls eine Zeiterscheinung – führte zum Bau eines Rittersaals, den Graf Ostein sehr liebte, der nach 1866 allerdings abgerissen wurde.
Was den Bauherrn auf die Idee zu einer Zauberhöhle brachte, ist jedoch noch immer nicht enträtselt. Das 30 Meter lange Gebilde aus Bruchstein bereitet den Besuchern mit seinen optischen und psychologischen Kniffen noch heute große Freude. Der mannshohe steinerne Magier, an dem die Lustwandelnden auf ihrem Weg durch die Finsternis vorbeikamen und der die Zeitgenossen des Grafen Ostein das Gruseln lehrte, ist heute durch einen Metallscherenschnitt ersetzt. Der schmale Gang der Zauberhöhle mündet aber wie dazumal in die Zauberhütte, und von ihr aus öffnete sich der Blick in die Schneise der Ruine Vautsberg, die seit 1829 als Burg Rheinstein bekannt ist – ein inszenierter Ausblick, Burgenromantik par excellence.
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Veröffentlicht am 17.08.2018
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