Ein monumentaler Garten - Osteinscher Niederwald, Rüdesheim (Teil 3)
Seit den großen Restaurierungsarbeiten unter der Federführung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts entfaltet der Osteinsche Niederwald wieder seinen romantischen Charme und macht die Landschaft des mittleren Rheins auf einzigartige Weise erfassbar und erlebbar. Heutige Besucher können sich dem Zauber ebenso wenig entziehen wie die Wanderer im 18. und 19. Jahrhundert, die ihre Erlebnisse eindrücklich beschrieben. Nicht alle Besonderheiten wirken gleich auf den ersten Blick spektakulär. Sind Sie zum Beispiel schon einmal über die Große Allee spaziert? Sie verläuft kerzengrade durch den Forst und sollte einst als monumentale Chaussee das Osteinsche Palais in Geisenheim und das Herrschaftliche Haus verbinden. Einzelne Pappeln machen heute ihren Verlauf nachvollziehbar.
Diese Allee mag vielleicht aussehen wie ein gewöhnlicher breiter Waldweg. Aber ihre Entstehungsgeschichte hat es in sich. Nach Beginn der Arbeiten blieb der Niederwald auf Jahre hinaus eine Großbaustelle. Denn was in der modernen Forstwirtschaft schweres Gerät in wenigen Wochen oder gar Tagen zustande bringt, kostete dazumal Unmengen von Zeit, und vor allem das, was wir heute „Manpower“ nennen: Hunderte von Taglöhnern formten mit Muskelkraft, Schaufeln, Spaten und Sprengsätzen aus einer bloßen Idee des Grafen Johann Friedrich Karl Maximilian von Ostein (1735-1809) eine kilometerlange Realität; immerhin 1,6 Kilometer davon können wir heute noch entlangspazieren. Auch wenn die Allee mehr Geld verschlang als alle Ziergebäude zusammen, vollständig verwirklichen ließ sich die Sache nicht. Der Anschluss an das Herrschaftliche Haus blieb eine Idee, die gewünschte Sichtachse entstand nicht. Trotzdem nötigte das schiere Ausmaß des Projekts den Gästen Respekt ab – der Graf hatte sein Ziel erreicht.
Die gewaltigste Ergänzung erhielt der Niederwald allerdings lange nach dem Ableben des ersten Schlossherrn, im 19. Jahrhundert: das Niederwalddenkmal. Mit 1,2 Millionen Mark gehörte das Werk des Bildhauers Johannes Schilling (1828-1910) und des Architekten Karl Weißbach (1841-1905) zu den teuersten und aufwändigsten Denkmälern im jungen Kaiserreich. 225 Meter über dem Rhein thront die 32 Tonnen schwere Skulptur auf einem Unterbau aus Mainsandstein und Quarzit. Etwas mehr als zwölf Meter groß, ragt die Germania über das bewaldete Umland hinaus. Jedes Detail des symbolreichen Kolosses spiegelt das Ringen um eine nationale Identität und das politische Gerangel der Zeit wider. Es fehlt weder der Reichsadler noch die Andeutungen auf deutsche Sagen und Märchen. – Und so trägt auch die Germania auf ihre buchstäblich überragende Art dazu bei, diesem besonderen Ort und seinem genius loci einen sicht- und fassbaren Ausdruck zu verleihen.
Vorheriger Teil der Artikelserie:Ein monumentaler Garten - Osteinscher Niederwald, Rüdesheim (Teil 2)
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Veröffentlicht am 28.09.2018
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