Die Wand als Spezialgebiet - Schloss Wilhelmsthal, Museumslandschaft Hessen Kassel (Teil 2)
Schloss Wilhelmsthal lohnt sich besonders für Besucher mit Freude am Detail. Ähnlich wie auch die Möbel zeigen die Tapeten den Geschmack der Epoche, in der sie jeweils hergestellt wurden. Mal sind sie grün – wie im „Gift-Zimmer“ –, mal sind sie rot oder gelb. Fast jeder Raum in Wilhelmsthal ist anders gestaltet. Besondere Aufmerksamkeit verdient eine Spezialität: die floralen Elemente. Auf jeder Tapete sind Blumen wie Rosen oder Mohn zu sehen – viele von ihnen wirken lebensecht. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es sind getrocknete Pflanzen. Dass sie oft gemalt sind, ist erstaunlich, so ähnlich sehen sie sich. Das Lebensechte ist gewollt und Spiegel der Zeit, sagt die Leiterin des Deutschen Tapetenmuseums in Kassel, Dr. Astrid Wegener. Denn die Tapeten stammen aus einer Epoche, in der Entdecker von Europa aus die ganze Welt bereist haben. Von diesen Reisen haben sie entweder Zeichnungen von Pflanzen oder gleich echte Exemplare mitgebracht. Die Begeisterung für die fremden Gewächse schlug sich im Geschmack der Zeit nieder – die Tapeten in Wilhelmsthal sind ein Zeichen davon. In fast jedem Raum im Schloss lassen sich diese Details finden. Im Audienz-Zimmer sind es Papageien, die, als wären sie echt, auf aus den Wänden ragenden Ästen sitzen. Fast hat man das Gefühl, in einem Wald zu stehen – „auch ein weit verbreitetes Motiv“, sagt Kallaste. Pflanzen und Vögel, deren Anblick heute alltäglich ist, waren früher etwas Besonderes, exotisch. Klar, dass sich Europas Adel diese Motive in seine Schlösser holte.
Über fast jeden Raum und jede Tapete weiß die Restauratorin Kadri Kallaste eine Geschichte zu erzählen. Sie steht im Alkoven eines Raumes und zeigt an die Decke. Blass zeichnen sich dort die Muster von Pflanzen ab. „Das hat ein Stuckateur uns dort hinterlassen“, sagt sie. Es ist eines der Geheimnisse von Schloss Wilhelmstahl. Denn: Weder hat der Meister seine Arbeit jemals vollendet, noch hat jemand seine Zeichnungen entfernt. „Wir wissen nicht, warum“, sagt Kallaste. Heute sind sie einfach da, Zeuge einer Zeit, in der Schloss Wilhelmsthal hätte belebt sein können, geben einen Einblick in das Leben und Arbeiten jener Zeit. Einer Zeit, die durch Kriege und Unruhen geprägt war, die auch verhindert haben, dass die Bauherren des Schlosses dort jemals gelebt haben. Kurz nach Vollendung sind Kriege dazwischen gekommen, hat Napoleon Deutschland besetzt und die Schlösser in Hessen für seine Familie genutzt. Es sind die großen Ereignisse der Weltgeschichte, die sich hier niederschlagen, die Dreh- und Angelpunkte für das Leben und Leiden auf dem Schloss waren. Und für heutige Besucher bedeuten sie einen Glücksfall: Das Schloss ist nie seiner eigentlichen Bestimmung nachkommen und wurde daher nicht umgebaut oder renoviert. Seine Einrichtung ist deshalb noch immer fast vollständig im Original erhalten. Räume und Säle, die von vergangenem Glanz erzählen, von vergessener Alltäglichkeit, die heute fast so exotisch anmutet wie auf den damaligen Betrachter die Blumen und Pflanzen auf den Tapeten. Es ist ein Schatz, an dem sich Restauratoren wie Kadri Kallaste heute freuen können und den sie für die Zukunft konservieren. Und natürlich für die Besucher, die hier nach diesen Details suchen.
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Veröffentlicht am 18.01.2019
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