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Das außergewöhnliche Erbe der Stadt bewahren - Kloster Seligenstadt (Teil 2)

Vier Euro kostet ein Stück Kulturgut, länglich oder rund: das „frei geschobene“ – also ohne Backform angefertigte – Feiertagsbrot aus dem Kloster Seligenstadt. Der Sauerteig ist nach einem alten Rezept mit fünf Gewürzen aus dem Apothekergarten verfeinert – Kümmel, Koriander, Fenchel, Anis und Kardamom. Wer donnerstags früh genug im Kloster ist, kann das Brot noch warm und direkt aus den Händen des Bäckers Heinz Kimmel bekommen. Der 83-jährige Meister hat sein Handwerk im elterlichen Betrieb gelernt. „17 Generationen Bäckerhandwerk“, sagt der schmale, zäh wirkende Mann mit einem lakonischen Lächeln. „Da war wohl die eine oder andere Zwangsheirat im Spiel.“ Nun steht er einmal in der Woche am altdeutschen Ofen im Kloster seiner Heimatstadt und kontrolliert fachmännisch die Glut. Als vor 20 Jahren ein Experte für den Bau eines altdeutschen Backofens gesucht wurde – wen anders hätte man fragen sollen als Kimmel? „Ich komme vorbei“, sagte er damals zu und ist seitdem fast jeden Donnerstag zum Backen im Kloster – ehrenamtlich natürlich, wie die anderen Vereinsmitglieder auch. Ehrensache.

Um sechs Uhr in der Früh haben sich Heinz Kimmel und Klaus Lüft in der ehemaligen Remise getroffen. Dort, wo zu Zeiten des Klosterbetriebes Pferde und Kutschen standen, erreicht der eindrucksvolle Ofen gerade seine Betriebstemperatur von 300 Grad. „Er ist gebaut wie vor Hunderten Jahren und wird nur mit Holz beheizt“, erklärt Lüft und wiegt ein Bündel in der Hand. „Über Nacht zum Anheizen Eiche und Buche mit hoher Dichte, tagsüber Tanne und Fichte für das schnelle Feuer.“ Lüft bezeichnet sich mit einem Augenzwinkern als „Hilfsbäcker“. Er zählt mit anderen engagierten Bürgern zu den Bewahrern des historischen Seligenstadt, war am Aufbau der Backstube und des Ofens beteiligt.

„Das war ja für uns alle Neuland“, erinnert sich Kimmel zwei Jahrzehnte zurück. In seiner 60-jährigen Laufbahn hatte er ja mit Thermostaten und Zeitschaltuhren gearbeitet. Für das Backen im altdeutschen Ofen mussten die Herren vom Förderkreis Historisches Seligenstadt e. V. erst einmal ein Gefühl entwickeln. Die ersten Brote sind „in die Tinte gegangen“, wie der Bäcker sagt – also schwarz geworden. „Beim zweiten Mal war es schon besser“, sagt Kimmel. Heute klappt es routiniert: Der Ofen ist heiß und sauber, da klopft es an der Tür vom Mühlgarten her. Vom Betriebshof aus reicht ein junger Mann die in zwei Seligenstädter Bäckereien vorbereiteten Rohlinge an, jeder in einem eigenen Körbchen. 80 Brote schiebt Kimmel pro Backgang einzeln mit dem Rundschieber in den Schacht und holt sie nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder heraus. Im Sommer, wenn viele Touristen mit dem Schiff kommen, backen die Männer viermal hintereinander. „Dann ist hier der Deibel los“, sagt Kimmel, als er später mit Lüft im Klosterhof ausruht. „Die Leute stehen bis hier zur Kastanie ums Brot an“, und ergänzt mit berechtigtem Stolz: „Wir sind immer ausverkauft.“

Vorheriger Teil der Artikelserie:
Das außergewöhnliche Erbe der Stadt bewahren - Kloster Seligenstadt (Teil 1)

Nächster Teil der Artikelserie:
Das außergewöhnliche Erbe der Stadt bewahren - Kloster Seligenstadt (Teil 3)

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Veröffentlicht am 01.02.2018

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